Die zwei unterschiedlichen Roßtaler Gesichter
Nach den schweißtreibenden Wochen der Vorbereitung und dem erfolgreichen Pokal-Wochenende (siehe Bericht: Erste Früchte, aber noch viele Baustellen) ging es für die erste Männermannschaft des TV Roßtal endlich in die neue Saison. Direkt zum Auftakt gab der Bayernliga-Absteiger und selbsternannte Aufstiegsfavorit TSV Lohr seine Visitenkarte in Roßtal ab. Wahrlich hätte man sich einen leichteren Kontrahenten zum Einstieg vorstellen können, gleichzeitig war es aber auch die Chance, im ersten echten Härtetest auszuloten, wo man zu diesem frühen Zeitpunkt der neuen Spielzeit schon steht. Wirklich beantworten konnte man die Frage nach den 60 Minuten, in denen Spielmacher Dietmar Mathias aus privaten Gründen passen musste, aber nicht.
Den Start in die Partie verschlief die Mannschaft von Trainer Wolfgang Schmidt etwas, der haushohe Favorit aus Unterfranken konnte direkt die erste Duftmarke setzen (0:2). Erst schlugen die Hausherren zwar zurück (2:2), dann kam allerdings ein herber Bruch ins Spiel des TVR. Weil hinten die nötige Aggressivität und Entschlossenheit fehlten, vorne zu viele einfache Chancen vergeben und zu viele technische Fehler gemacht wurden, durften die Lohrer einsam ihre Kreise ziehen. Spätestens beim 2:9-Zwischenstand hatten die meisten Zuschauer das erste Spiel der neuen Saison gedanklich wohl bereits abgehakt, nicht aber die Schmidt-Sieben, die um jeden einzelnen Torerfolg hart kämpfen musste. Es blieb aber dabei: Die Gäste schienen gut auf die offensive Deckungsvariante eingestellt, gewannen immer wieder ihre Eins-gegen-Eins-Duelle und ließen so keine Zweifel aufkommen, wer die Partie gewinnen sollte (5:14). Zur Halbzeit lief man bereits einem Neun-Tore-Rückstand hinterher – eine Wende war beim Aufeinandertreffen des Bayernliga-Absteigers und des Landesliga-Aufsteigers kaum vorstellbar (7:16).
In der Halbzeit schien sich die Mannschaft dennoch eins, dass das Resultat nicht die eigentliche Leistungsstärke der beiden Teams widerspiegelte. Schlussendlich waren es aber zwei kluge Schachzüge, die dem TVR im zweiten Abschnitt ein komplett anderes Gesicht gaben. Fortan setzte man in der Defensive auf eine aggressive 6:0-Abwehr, die dem Favoriten so gar nicht schmeckte, und im Angriff auf Rückraum-Hüne Christoph Heldauer, der dem Lohrer Innenblock (beide über 1,95 Meter) ordentlich einheizen sollte. In den ersten sieben Minuten der zweiten Halbzeit blieb es allerdings beim alten Neun-Tore-Vorsprung für die Gäste, großes Manko: Über zehn Abpraller nach guten Torhüter-Paraden von Wolf Hagen und Robert Butze landeten im Verlauf der Begegnung allesamt (!) beim Gegner. Beim 11:20-Zwischenstand legten die Roßtaler dann aber endgültig den Schalter um, eine „neue Mannschaft“ schien geboren. Mit einem krachenden 7:0-Lauf brachte man den Krösus vom Main ins Wanken, konditionell brachen die Lohrer ein, auf Seiten des TVR konnte man dagegen noch einmal eine Schippe drauflegen. In dieser Phase waren es besonders Heldauer (mit unwiderstehlichen Rückraumtoren), Dominik Schmidt (mit echten Kraft- und Willensleistungen) und Nico Nepf (mit einer starken Defensivleistung und eiskalt verwandelten Tempogegenstößen), die die Gastgeber sogar wieder an der kleineren Sensation schnuppern ließen (18:20). In den entscheidenden Szenen fand das Wurfglück aber wieder zum TSV zurück, während die Roßtaler vorzugsweise Holz trafen. Beim 22:24 hatte man den Favoriten eigentlich, die Halle ging jetzt voll mit – zwei unglückliche Abschlüsse verhinderten aber den durchaus möglichen Ausgleich. Sekunden vor dem Ende tüteten die Gäste mit dem 23:26-Endstand dann endgültig den ersten Saisonsieg ein, auf Roßtaler Seite blickte man in überwiegend leere Gesichter.
Angesichts der komplett unterschiedlichen Halbzeiten durfte man schlussendlich enttäuscht sein, gegen diesen Gegner wäre weit mehr möglich gewesen. So kann man sich auch von einer starken Leistungssteigerung im Endeffekt nichts kaufen, kein einziger Punkt steht auf der Habenseite. Aber zumindest der Glaube daran, dass man es selbst doch deutlich besser kann, lebte. In der kommenden Woche wird es nun nicht recht viel einfacher, das Auswärtsspiel beim Landesliga-Spitzenteam Rothenburg steht am Samstag (19.30 Uhr) an. Die Mannschaft wird darauf hoffen, dass auch einige Roßtaler Zuschauer den Weg mit ins historische Örtchen finden werden.
Für den TVR spielten: Hagen, Butze (beide Tor), D. Schmidt 7, Schmitt, N. Nepf 4, Franke, Gerbing, Schoberth, Brandscher 5/3, Fröschel, C. Nepf 1, Gruber 1, Heldauer 5, M. Schmidt 1.
Trainer-Stimme zum Spiel: „Im Verlauf der ersten Halbzeit hatten wir deutlich zu viel Respekt und spielten viel zu mutlos. Da musste ich die Mannschaft in der Halbzeit schon wachrütteln. Am Ende haben wir aber ein von vielen schon verloren geglaubtes Spiel fast noch gedreht.“
Bilder
Maximilian Schmidt